Nachhaltigkeit im Quartier
Der Neubau der Anschlussunterbringung für Flüchtlinge in der Turmgasse 1 stellt für die historische Altstadt in vielen Gesichtspunkten für Überlingen etwas Neues dar. Eine Sanierung des über viele Jahre leerstehenden Wohnhauses war aus wirtschaftlicher Gründen nicht mehr finanzierbar. Zu sehr hatte der Sanierungsstau die Substanz des Gebäudes angegriffen. Mit dem Ersatzbau an fast gleicher Stelle, bedingt durch die rechtwinklige Ausrichtung des Grundrisses kommt es zu geringen Verschiebungen beim Grundstückszuschnitt, wird der Neubau unter den Kriterien des nachhaltigen Bauens geplant und gebaut. Die Lage innerhalb des Altstadtkerns und die Bauaufgabe verbunden mit den Gestaltungsvorgaben der Altstadtsatzung erforderten ein sensibles Planen. Für die Stadt stand vor allem der integrative dezentrale Ansatz im Vordergrund, den dringend benötigten Wohnraum für Geflüchtete in das Stadtgefüge einzubinden. Das soziale Nachhaltigkeitskriterium wird durch die ökologische, ökonomische und partizipative/kulturelle Komponente in Form der gewählten Bauweise und einer hohen Energieeffizienz nachhaltig ergänzt. Der gesamte Planungs-und Bauprozess unterliegt der Ressourcenschonung, der Robustheit, der Suffizienz, der Einfachheit und einem auf Lowtech basierenden Energiekonzept.
Zusammen mit dem Architekturbüro bohm architekten, und dem Fachplanungsbüro Thermys Gmbh, beide aus Überlingen, wird dieser Ansatz für alle Leistungsphasen verfolgt. In die Gesamtfinanzierung der Baumaßnahme fließen Fördergelder aus dem Förderprogramm der L – Bank „Wohnraum schaffen für Geflüchtete“ sowie „Klimafreundliche Wohngebäude mit QNG“ der KfW - Bank ein. Die Stadt Überlingen begeht beim kommunalen Hochbau somit neue Wege, um die beschlossen Klimaschutzziele 2040 zu erreichen.
Der neue Wohnraum, verteilt auf vier Vollgeschossen und einem Dachgeschoss mit Schleppgaupen, wird in Holzrahmenbauweise mit Massivholzdecken errichtet. Als aussteifendes Element dient der Erschließungstrakt in Recycling – Beton, der auch für die Gründung und Bodenplatte verwendet wird. Holzfenster mit Schiebeläden und einer Putzfassade geben dem Gebäude den altstadtgerechten Charakter.
Das Energiekonzept basiert auf einer Luftwärmepumpe zur Wärme- und Warmwassererzeugung, einer zentralen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sowie einer PV- Anlage mit Speicher zur Eigenstromnutzung. Der errechnete Primärenergiebedarf liegt bei 14,8 kWh(m2a), der Endenergiebedarf bei 8,2 kWh(m2a), die Treibhausgasemission liegen bei 3.018 kg/a und demnach 62 Prozent unter dem Referenzwert nach dem Gebäudeenergiegesetzt (GEG).
Der Neubau in der Turmgasse 1 wird als zertifiziert nachhaltiges Gebäude und als „Effizienzhaus 40“ geplant. Anspruchsvoller ist die ganzheitliche Planung und Bewertung der Nachhaltigkeitsaspekte, die gemeinsam durch Bauherren, Architekten und Fachplaner erarbeitet werden.
Die Bewertung erfolgt durch das System der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)“. Wenn auch heutzutage vieles als „nachhaltig“ tituliert wird, ist mit Nachhaltigkeit hier explizit „Qualität + Zukunftsfähigkeit“ gemeint. Das Motto der DGNB lautet dabei: „Der Mensch im Mittelpunkt“.
Das DGNB-System umfasst 37 Kriterien, die in einem Punktesystem nachgewiesen werden müssen. Der Fokus liegt dabei gleichberechtigt auf den Themengruppen Ökologie, Ökonomie und Soziales.
Dazu ein paar Beispiele:
Ebenso betrachtet, wenn auch mit etwas weniger Gewichtung werden der Standort, die Technische Qualität und die angewandten Prozesse zu Planung und Inbetriebnahme. Im DGNB-System gibt es – je nach erreichten Punkten – verschiedene Auszeichnungsstufen. Für die Turmgasse 1 ist mindestens „Silber“ geplant, wobei das Planungsteam die Zertifizierungsstufe „Gold“ anstrebt.