Bei der gemeinsamen Vorbereitung und Durchführung des Beitrags zur Landesgartenschau auf dem schwimmenden Kirchenschiff lernten sich alle christlichen Kirchen in Überlingen besser kennen. Aus diesem Impuls wurde die zweite Schwedenprozession in den Jahren 2020 und 2021, die coronabedingt nicht in der traditionellen Art und Weise begangen werden konnte, auf der Hofstatt mit großer ökumenischer Beteiligung zelebriert.
Der Überlinger Stadtrat äußerte aus diesem Erleben heraus gegenüber der
mittlerweile in Überlingen gegründeten Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen
(ACK) den Wunsch, dass die Schwedenprozessionen dauerhaft ökumenisch
durchgeführt werden. Dies sei besonders dem konfessionellen Strukturwandel der
Bürgergesellschaft in Überlingen geschuldet. Fast die Hälfte der Einwohnerinnen
und Einwohner sind ohne Religionszugehörigkeit, circa ein Drittel
römisch-katholisch und ein Sechstel evangelisch. Seit dem Reformationsjahr 2017
hatte die evangelische Kirchengemeinde bereits an der Schwedenprozession
mitgewirkt. Die Rückmeldungen dazu waren sehr vielfältig, durchaus auch
kontrovers. In Abstimmung mit Dekanin Regine Klusmann und Stadtpfarrer Bernd
Walter lud die Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderates Überlingen
Christine Gäng zu einem runden Tisch am 11.10.2022 ein. Eingeladen waren die
städtischen Gemeinderatsfraktionen, die Stadtverwaltung, die Vertreter der ACK
sowie alle an den Prozessionen beteiligten Gruppen: Kolpingsfamilie,
Münsterchor, Pfadfinder, Trachtenbund, Schwerttanzkompanie und Stadtkapelle.
Zu Beginn der Veranstaltung wurde ein Blick in den Belagerungsbericht geworfen,
um allen den geschichtlichen Ursprung der Schwedenprozession nahezubringen. Im
wertschätzenden guten Miteinander tauschte man sich darüber aus, was jedem
einzelnen bei der Durchführung der Prozession wichtig ist. Ferner konnten die
Bedenken hinsichtlich eventueller Änderungen geäußert werden. Es wurde
deutlich, dass die Schwedenprozessionen in Überlingen identitätsstiftend sowie
ein hohes geistliches und kulturelles Gut darstellen. Bei allem, was zu deren
Durchführung überlegt wird, ist die größte Sensibilität angebracht.
Bei einem weiteren Treffen am 23.11.2022 wurden der Prozessionsablauf und die
Stationen sichtbar gemacht. Stadtarchivar Walter Liehner und Fachbereichsleiter
Raphael Wiedemer-Steidinger reflektierten, dass sich die Liturgie und der
Prozessionsweg im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geändert haben. In den
Satzungen des Trachtenbundes und der Schwerttanzkompanie sind deren Beteiligung
seit 1929 bzw. 1971 verankert. Aus dem Prozessionsbüchlein von 1984 geht
hervor, dass die Liturgie der Prozessionen 1926 verfasst wurde. Von den vielen
Bittgängen und Prozessionen der reichsstädtischen Zeit, die durch die
Säkularisation bereits reduziert wurden, sind nur noch die Schwedenprozessionen
verblieben.
Sie haben zwei Dimensionen: die Erfüllung des Gelübdes sowie das Leben von
Tradition und Brauchtum. Im Konsens wurde entschieden, die derzeitigen
Stationen, Texte, Gebete und Lieder beizubehalten. Wunsch aller ist es,
gemeinsam zu beten und so viel wie möglich gemeinsam zu tun. Das religiöse
Verständnis der anderen christlichen Kirchen erlaubt es, als Gäste bei der
katholisch geprägten Prozession mitzuwirken. Die Ökumene in Überlingen soll und
darf sichtbar werden. Ohne etwas zu verlieren, ist die Teilhabe zur
Identifikation allen möglich.
Die Details wurden am 12.01.2023 besprochen, als da wären: Alle Bürgerinnen und
Bürger sind an beiden Prozessionstagen, 14.05. und 09.07.2023, zum Gottesdienst
ab 8 Uhr ins Münster eingeladen. Den katholischen Ritus feiern alle, soweit es
ihnen möglich ist, mit. Die Fürbitten im Gottesdienst und Lesungen an den
Stationen übernehmen je ein Mitglied des Stadtrates, der Schwerttanzkompanie,
der evangelischen Kirche, des römisch-katholischen Gemeindeteams und des
Trachtenbundes. Den Segen mit der Monstranz erteilt jeweils der katholische
Stadtpfarrer. Bei der Prozession reihen sich die teilnehmenden Seelsorger der
ACK direkt hinter dem Allerheiligsten beim Oberbürgermeister mit ein. Hinter
dem Stadtrat sind alle Mitglieder der Gremien der Kirchengemeinden christlicher
Konfessionen eingeladen bei der Prozession teilzunehmen, danach alle Bürger der
Stadt.
Alle an diesem Entwicklungsprozess Beteiligten werden im Juli 2023 für eine
Reflexion zusammenkommen. Mit dieser Entwicklung soll das Miteinander aller
Generationen und christlicher Religionen erreicht werden. Gemeinsam um Gottes
Segen zu bitten, sich zu besinnen und für das jetzt friedliche Zusammenleben in
dieser schönen Stadt dankbar zu sein. Das ist heute das Wesentliche dieser
Prozessionen. Dies aufs Neue ins Bewusstsein zu bringen ist ebenfalls positiver
Effekt dieser Gespräche, um die Zukunft der Schwedenprozessionen zeitgemäß zu
sichern.